Das Wohnzimmer

>> CF: Um das Haus

Ich hatte gar keine Chance, irgendetwas zu sagen oder zu tun. Und selbst wenn, dann wäre mir nichts eingefallen, denn ich war komplett perplex.
Muri verhielt sich total seltsam und...gar nicht mehr so wie gestern.
"Was faselst du da, Muri?", schaffte ich es irgendwann doch einzuwerfen und musterte ihn einigermaßen skeptisch.
Van und ich konnten tun was wir wollten?
Er war nicht mehr sauer?
Das konnte ich nicht glauben. Da klingelte es allmählich bei mir und icih trat näher an ihn heran.
Mit ernstem Blick sah ich ihn durchdringend an: "Was hast du genommen?"
Zwar wusste ich nicht mehr, ob Muri wusste, dass ich wusste wie er war, aber gerade war mir das herzlich egal.
Ich machte mir ernsthafte Sorgen um meinen Bruder, auch wenn es vielleicht unnötig war.

Domis Reaktion bekam ich gar nicht richtig mit. Mir war gerade wichtiger das ganze Zeug loszuwerden und sie wissen zu lassen, dass ich sie immernoch lieb hatte und, dass das von gestern alles vergessen war.
Erst als sie mich so ernst ansah, stockte ich. Genommen? Verwirrt sah ich sie an. Dann fiel es mir wie Schuppen vor die Augen. "Oh Gott, Domi es tut mir so Leid. Ich hab dir nichts gesagt um dich nicht zu verletzten. Du solltest nicht erfahren, dass ich so geworden bin." Ich wollte noch viel mehr hinterherwerfen aber mir fehlten gerade tatsächlich die Worte. Dann mussten eben andere her. "Ich hab keine Ahnung wie ich da reingerutscht bin..." begann ich also zu erzählen. Ganz kurz blitzte ein Hintergedanke auf, dass ich es ihr das ganze eigentlich gar nicht erzählen wollte aber das war schnell wieder vergessen. "Ich verpreche dir ich passe auf. So schlimm ist das nicht. Ich kann jederzeit wieder aufhören. Außerdem machen das alle aus meinem Freundeskreis. Die kommen alle klar. Also ich auch." Ich lächelte zufrieden. Domi würde das schon verstehen denn sie war ein toller Mensch.

Es war ja nicht so, dass ich mich nicht über seine Worte freuen würde. Er war mein Bruder und außerdem die wichtigste Person der Welt für mich. Doch wenn er sie nur aufgrund von Drogen loswurde, bedeuteten sie gar nichts.
Muri schien zuerst gar nicht zu begreifen, was ich sagte, erst als er stockte, wusste ich, dass es zu ihm durchgesickert war.
Seine stammelnde Erklärung unterbrach ich, als ich den Finger auf seine Lippen legte: "Pscht! Ich weiß schon lange, dass du...so bist. Seit der Party. Aber Muri...das ändert doch nichts. du wirst immer mein großer Bruder sein, egal was du tust."
Der zweite Teil seiner erklärung machte mich aber skeptisch.
"Deine Freunde tun es auch? Wenn sie von der Brücke springen, springst du dann auch hinterher?"
ich wusste, ich hörte mich gerade an, wie meine Mutter. Aber das ließ sich im Moment ja wirklich nicht vermeiden.
Seufzend setzte ich mich hin und strich mir durch die Haare.
"Du machst nur Blödsinn...", murmelte ich und sah an mir herab, "aber wenigstens lässt du dich nicht von nem Typen schwängern, den du nichtmal liebst..."

Ihre Worte beruhigten mich wieder. Ich hatte doch gewusst, dass sie es verstehen würde. Domi war immer so verständnisvoll. Nicht so wie ich. Mir tat das von gestern gerade so unendlich Leid. Wie sehr ich sie damit verletzt haben musste. "Es tut mir Leid..." murmelte ich deshalb vergas dabei aber zu erwähnen was genau mir denn Leid tat.
Über ihre frage musste ich wirklich ernsthaft nachdenken. Dann nickte ich zögerlich. "Wenn sie es überleben würden bestimmt. Und je nachdem wie hoch die Brücke ist natürlich..." wägte ich ab und nickte dann zufrieden.
"Ich weiß..." meinte ich leidend. "Ich will diesen Blödsinn doch gar nicht machen. Es... passiert eben einfach." Ich zuckte mit den Schultern und hörte ihren darauffolgenden Satz. Ich brauchte kurz um mich zu erinnern ob Domi mir von dem Vater erzählt hatte. Stimmte ja, ein Typ auf der Party, den sie gar nicht kannte. Klar, dass sie den nicht liebte. "Das wäre auch ziemlich komisch findest du nicht?" fragte ich zurück und lehnte mich nach hinten. Mein Kopf fühlte sich so voll, so schwer, an... "Obwohl ich das bestimmt auch schon geschafft hätte. Wenn ich ein Mädchen wäre meine ich..."

Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an, als er sich plötzlich entschuldigte.
"Was tut dir leid? Du hast doch gar nichts gemacht", meinte ich verdutzt. Naja..okay, eigentlich schon allein die Tatsache, dass er high, stoned oder was auch immer, hier auftauchte fand ich nicht besonders gut.
Für den ganzen Drogenmist hatte ich nichts übrig und daran würde sich auch nichts ändern. Aber ich würde auch niemandem dreinreden, es war jeder selbst für sich verantwortlich.
Das hatte ich auf die harte Tour gelernt.
Die Antwort auf meine Frage gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Und das zeigt ich ihm auch, indem ich gegen seine Stirn klapste.
"Nimm das sofort zurück", verlangte ich ernst von ihm, "sonst passiert es noch wirklich, dass wir dich frühzeitig begraben müssen."
Allein der Gedanke, dass das passieren könnte, nahm mir all die Farbe aus dem Gesicht und ließ mir schwindlig werden.
Müde lehnte ich mich zurück.
"Mh..wäre wirklich seltsam...", stimmte ich ihm zu und lachte dann leicht auf.
"Soll das eine Beleidigung oder ein Kompliment sein?"

Ihre Frage ließ mich kurz nachdenken. Aber ich gab es schnell wieder auf. Mein Kopf war mit viel zu vielen Dingen voll als, dass ich mich an das von eben noch erinnern könnte. Also zuckte ich nur mit den Schultern und beließ es dann dabei. Ich konnte mich eh nicht zu wenig entschuldigen, soviel Scheiße wie ich in letzter Zeit baute.
Erschrocken fuhr ich hoch als sie mir einen Klaps auf die Stirn gab und mich dann so tadelte. Es schien ihr ja ziemlich wichtig zu sein. "Ja, okay ich nehms zurück." versichterte ich ihr schnell und ließ mich wieder nach hinten fallen.
"Eine Beleidigung?" fragte ich mit einem Sitrnrunzeln nach und spürte wie sich mein Körper sich langsam dagegen wehrte zu sitzen. Ich wollte irgendwas machen! "Wir könnte ich dich beleidigen? Ich wollte damit nur sagen, dass ich eine männliche Schlampe bin." meinte ich schlicht. "Oder war." fügte ich noch hinzu. Seit Sana war es gar nicht mehr so schlimm. Sana... "Ist Sana hier?" fragte ich und richtete mich schon auf um zu ihrem Zimmer zu gehen. "Ich muss ihr noch so viel sagen."

Manchmal konnte ich nicht fassen, dass ich Muri zurechtweisen musste, war ich doch die jüngere von uns.
Aber in gewisser Weise saßen wir wohl im selben Boot- er mit seinen Drogen und ich mit dem Baby.
Als er seine Worte wieder zurücknahm, seufzte ich erleichtert auf und lächelte etwas.
Wie er sich selbst dann als männliche Schlampe bezeichnete, klappste ich ihm gleich wieder gegen die Stirn: "So ein Quatsch! Du legst dich doch nur nicht fest, das ist doch nicht schlimm. Dafür hast du noch genug Zeit."
Plötzlich sprang er auf und erschrocken fuhr ich zusammen.
Da kriegte man doch noch nen Herzkaspar!
"Sana ist in der Schule..wo du eigentlich auch sein solltest", fiel mir nebenbei mal auf.

Ich fand es süß wie sie mich sofort verteidigte aber ich fand trotzdem, dass ich eine meine Aussage über mich stimmte wobei ich aber nicht fand, dass irgendwas Schlimmes dabei war. Eigentlich war es genau wie Domi sagte. Sie war wirklich ein kluges Mädchen.
Auf ihre Antwort ließ ich mich wieder aufs Sofa fallen. "Schade..." Das mit der Schule löste wieder eine Menge Gefühle bei mir aus. "Ja, ich weiß... Weißt du was Domi? Ich geh fast gar nicht mehr hin. Ich weiß nicht warum... Es ist mir alles zuviel im Moment. Ich will lieber meinen Spaß haben und so." erzählte ich ihr einfach. Ein Teil von mir wehrte sich dagegen, ein anderer plapperte einfach drauf los und erzählte Domi einfach alles was ich ihr eigentlich nie hatte erzählen wollen.
"Ach Domi... Ich bin zu jemand geworden, der ich niemals sein wollte..." seufzte ich und zog sie an mich. Ich brauchte gerade einfach ihre Nähe. Es erinnerte mich an früher wo alles noch so perfekt gewesen war.

Dass er das Thema ruhen ließ, war irgendwie beruhigend, ich wollte wirklich nicht näher darauf eingehen. Muri musste selbst wissen, was er tat, das ging mich eigentlich nichts an.
Seine nächsten Worte, dass er kaum noch zur Schule ging, waren ebenfalls keine Überraschung. Schließlich schwänzten er und Sana sogar manchmal zusammen.
"Das weiß ich alles, Muriel", gab ich leise zu und schmiegte mich an ihn, als er mich zu sich zog.
Irgendwie fand ich dieses Gespräch ziemlich bedrückend. Aber es war immer noch besser, als wenn er mich anschrie und sauer auf mich war.
Bei anderen fand ich das nicht so sclhimm, aber bei meinem Muri konnte ich das nicht ertragen.
"Wird man nicht immer zu dem, was man niht will?", fragte ich seufzend und spielte mit einer Haarsträhne.
ich wollte sicher auch niemals mit 15 schwanger werden und zuhause rausfliegen.
Was für ein Abstieg..

Sie wusste das alles? Nur langsam sickerte diese Information zu mir durch. Dann hätte ich mir ja gar keine Sorgen machen müssen. Sie wusste es und sie war trotzdem nicht sauer. Ich lächelte. Hätte ich aber eigentlich wissen müssen. Domi verstand das eben. Nicht so wie meine Eltern, die sich ständig darüber beschwerten. Oder es zumindest bis vor kurzem noch getan hatten.
"Irgendwie schon oder?" Die Nähe zu Domi tat mir grade gut und brachte langsam wieder runter. Ich rieb mir über den Kopf, der irgendwie schmerzte. "Ich bin müde Domi..." Woher diese plötzliche Müdigkeit kam wusste ich nicht aber meine Augen fielen fast automatisch zu obwohl ich es gar nicht wollte.
Ich wollte eigentlich nicht schlafen, jetzt wo ich endlich bei meiner tollen Schwester war. Ich wollte weiter mit ihr sprechen. All das klarstellen was ich nie klargestellt hatte. Aber plötzlich fehlte mir jegliche Energie dazu.

"Mh..", machte ich nur zustimmend und genoß es, mal wieder so mit Muri zusammen zu sitzen. Das hatten wir schon ewig nicht mehr gemacht, wurde mir bewusst. Das letzte Mal, an dem Tag bevor ich auf das Internat gekommen war.
Seufzend schmiegte ich mich mehr an ihn, als ich seine Worte vernahm.
"Dann schlaf doch ein bisschen..ich bin auch ziemlich müde...sollen wir hoch gehen?", bot ich ihm schließlich an.
Die Vorstellung, mit meinem Bruder das Bett zu teilen, gefiel mir. Wie früher als Kinder, als wir immer zusammen geschlafen hatten, und bis in die späte Nacht gequatscht hatten.
Ich setzte mich auf und sah Muri abwartend an.

Ich bekam ihre Frage schon fast gar nicht mehr mit. Aber das Bett klang dann doch bequemer als die olle Couch hier. Also nickte ich, brauchte aber noch einen kurzen Moment um mich aufzurichten.
"Gehen wir nach oben." meinte ich und stand nun gänzlich vom Sofa auf.
Ich nahm ihre Hand und zog sie mit nach oben. Ich freute mich schon auf das schöne weiche Bett und ein bisschen Schlaf nachdem ich heute morgen so früh aufgestanden war. Oder war es in der Nacht gewesen? Na egal... Ich konnte den Schlaf gut gebrauchen.
Die Vorstellung mit Domi in einem Bett zu liegen erinnerte mich an früher. Sie war so oft zu mir ins Bett gekommen und dann hatten wir noch stundenlang gequatscht und gelacht. Am nächsten Tag waren wir dann jedes Mal hundemüde gewesen aber jedes Mal war es uns das Wert gewesen.

<< GT: Domis Zimmer

Ohne Alesana war es hier viel zu ruhig, fand Dominique. Auch der kleine Bruder ihrer besten Freundin war viel ruhiger, wenn sie nicht da war. Obgleich Nathan und Domi sich sehr gut miteinander verstanden, war es ohne Sana eben komisch zusammen zu sein und so war jeder für sich. Es fühlte sich auch etwas seltsam an, mit Sanas Familie, ohne Sana, am Essenstisch zu sitzen oder sonstiges. Aber trotzdem immer noch besser als bei ihrer eigenen Mutter zu sein. Vor wenigen Tagen war Domi schwach geworden und hatte angerufen. Aber alles was sie zu hören bekommen hatte, waren Vorwürfe gewesen und Schimpftiraden. Nach dem Anruf hatte sie sich geknickt und heulend in ihrem Zimmer verkrochen und entschlossen, nicht noch einmal anzurufen.
Jetzt saß sie im Wohnzimmer und versuchte sich mit Fernsehen abzulenken. Doch wieder einmal lief einfach nur Mist. So kam ihr eine Ablenkung ganz gelegen, als es an der Tür klingelte. Nathan's Eltern waren mit ihm Schlitten fahren gegangen und so war sie die Einzige, die aufmachen konnte. Sie stellte das Nutellaglas auf den Tisch und befreite sich aus der Decke, um zu sehen, wer denn da unangemeldet auftauchte.

GT: Um das Haus