Der Küchenbereich

Während ich auf Van's Erklärung wartete, machte ich mich daran, das Kaffeepulver, Zucker und Milch aus dem Regal zu holen.
Dann griff ich nach den Tassen, was in dem Moment ein Fehler war, denn als ich hörte, was Van mir zu berichten hatte, fielen mir diese fast aus der Hand.
Fast fluchte ich, aber ich verkniff es mir noch, stattdessen starrte ich ihn ungläubig an.
"Wer erzählt denn sowas?", fragte ich mit hohler Stimme und konnte ihn dabei nicht ansehen. Was eigentlich schon zuviel verriet.
Schweigend und ein wenig unter Schock stehend, wandte ich mich wieder ab und fing fast akribisch an, Kaffeepulver und Zucker in die Tassen zu löffeln.
Scheiße, scheiße, scheiße! Woher weiß er das?, dachte ich mir verärgert und gleichzeitig ein wenig panisch. Wenn ich herausfand, wer ihm das erzählt hatte...es konnte ja nur Muri oder Sana gewesen sein!
Tolle Freunde hatte ich da. Wirklich super.

Wieso war mir klar gewesen, dass sie zuallerst diese Frage stellen würde?
Ich war ein wenig enttäuscht. Es wäre mir lieber gewesen wenn sie wenigstens jetzt dazu gestanden hätte. Stattdessen tat sie so als ob mir irgendwer irgendwelchen Schwachsinn verzapft hatte. Aber ich wusste, dass Sana mir die Wahrheit gesagt hatte. Allein Domis Reaktion auf meine Worte bestätigten mir das.
„Das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist jetzt nur, dass ich es weiß. Und ich will wissen warum du es mir verheimlicht hast.“ Ich sprach ruhig auch wenn ich wusste, dass sich Domi so oder so darüber aufregen würde. Zugegeben war es auch nicht wirklich feinfühlig sofort nach dem Grund für die Geheimhaltung zu fragen aber genau das wollte ich eben wissen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie gedacht hatte ich würde es niemals herausfinden, wo es doch eigentlich so offensichtlich war.

Ich versuchte mit aller Kraft, meine Fassung zu behalten, als ich nach dem Wasserkocher griff, doch so wirklich gelang mir das nicht. Die Hälfte von dem Wasser landete neben der Tasse und nun wirklich fluchend, griff ich nach einem Lappen und wischte es auf.
"Ganz einfach: Weil du da nicht mitreingezogen werden solltest", sagte ich dennoch erstaunlicherweise sehr ruhig, "du...gehst aufs College und du hast Lissa. Das würde dir, deinen Zukunftsplänen und deiner Beziehung mit Lissa einfach im Weg stehen."
Nun schaffte ich es, das Wasser richtig einzuschenken und gab noch die Milch dazu.
"Abgesehen davon, musste ich erst selbst damit klarkommen."
Dass ich sogar den Gedanken gehabt hatte, es...wegmachen zu lassen, sprach ich nicht aus. Denn ich verachtete mich selbst dafür.
Ich stellte eine der Tassen vor Van ab und ging wieder zurück zur Anrichte. Den zweiten Kaffee hatte ich eigentlich umsonst gemacht. Ich trank doch gar keinen Kaffee.

Als sie ihre Begründung aussprach fragte ich mich ob sie mich wirklich kannte. Niemals würde ich es mir verzeihen irgendwann von einem Kind zu erfahren um das ich mich nie gekümmert hatte. Ich sah es irgendwo als Pflicht an für mein Kind grade zu stehen, mich darum zu kümmern. Außerdem hätte ich mich furchtbar schuldig gefühlt Domi in dieser schweren Zeit nicht beigestanden zu haben. Immerhin war ich auch für die Situation verantwortlich in der wir uns gerade befanden.
Ihr zweite Begründung leuchtete mir dann schon eher ein. Ich konnte verstehen, dass sie ihre Zeir brauchte. Ich hatte sie ja auch gebraucht und ich war um einiges erfahrerner und älter als Domi. Sie war ja selbst noch ein Kind.
"Tut mir Leid..." entschuldigte ich mich. Wofür wusste ich selbst nicht so genau. Vielleicht dafür, dass ich sie darauf angesprochen hatte und ihr so noch mehr Probleme gemacht hatte als sie sowieso schon haben musste, vielleicht aber auch einfach dafür, dass ich so ein verdammter Idito gewesen war, damals auf der Party.
Ich lächelte leicht als sie mit den Kaffee vor die Nase stellte und nahm einen Schluck. "Aber vielleicht kannst du mich auch verstehen. Ich bin immerhin auch Schuld und außerdem... es ist auch mein Kind."

Während ich seine Reaktion abwartete- die ewig auf sich warten ließ, zumindest fühlte es sich so an- trank ich dann doch einen Schluck von dem Kaffee. Und verzog sofort das Gesicht. Zwar hatte ich vier Löffel Zucker reingeschaufelt, aber es schmeckte mir trotzdem nicht.
Seine Entschuldigung ließ mich fragend zu ihm sehen: "Wofür entschuldigst du dich denn bitte? Du hast gar nichts falsch gemacht.."
Seufzend schob ich die Tasse von mir und hörte dann Van's Worte.
Und bekam erst recht Schuldgefühle. Ich wollte es eigentlich nur...naja, ich dachte, es wäre besser so. Richtiger.
Ich richtete meinen Blick zu Boden und wusste zuerst gar nicht, was ich sagen sollte.
Vorallem, weil es mich schon wieder drohte zu überfordern.
"Sicher verstehe ich dich auch", murmelte ich schließlich leise und blickte ihn wieder an, "aber es reicht doch, wenn einer von uns das Leben komplett umkrempeln muss. Und dann ist es nur gut, wenn ich das tue. Ich habe niemanden, der es mir übel nehmen kann. Du schon. Ich glaube nicht, dass Lissa so begeistert davon wäre, wenn sie dich mit einem Kind teilen müsste, das nichtmal ihres ist."

Erst dachte ich sie hätte es eingesehen doch dann sprach sie weiter. Sie hatte es wohl doch noch nicht richtig eingesehen. Sie war eben immernoch 15. Ich neigte oft dazu sie älter und reifer zu machen als sie eigentlich war.
Ich zögerte kurz, entschied mich dann aber dafür es ihr zu sagen. "Lissa weiß davon." Ich machte eine kurze Pause. "Sie ist nicht sehr begeistert, da hast du Recht aber es geht hier nicht um sie. Ich will für mein Kind sorgen und da ist es mir egal ob Lissa irgendwas dagegen hat." meinte ich. So war es auch. Selbst wenn Lissa mich vor die Wahl gestellt hätte, sie oder das Kind, ich hätte mich wohl für das Kind entschieden. Es war jetzt ein Teil von mir und wenn sie mich liebte, dann musste sie auch diesen aktzeptieren.
"Wenn du irgendwas dagegen hast ist das was anderes. Aber das ist auch ein Grund dafür warum ich hier bin. Ich hoffe du erlaubst mir für dich und das Kind da zu sein." Ich wüsste nicht was ich tun sollte wenn jetzt ein nein kommen würde. Ich wusste, dass ich so gut wie keine Rechte hatte was das Kind anging und es würde schwierig werden wenn Domi sich gegen mich stellte.

Als Van mir mitteilte, dass Lissa es auch schon wusste, entglitten mir erneut alle Gesichtszüge und ich wusste nicht, ob ich wütend sein sollte oder einfach nur fassungslos.
Wusste es etwa schon die ganze Welt?!
Ich atmete tief durch um nicht unhöflich zu werden, stellte aber die Tasse etwas zu heftig in die Spüle, sodass der Kaffee überschwappte.
"Gut zu wissen", meinte ich trocken und verbiss mir jeden weiteren Kommentar, der eh nur zu Streit führen würde.
Was ich zu seinen weiteren Worten sagen sollte, wusste ich mal wieder nicht und ich musste wirklich wieder darüber nachdenken.
"Wenn du darauf bestehst", meinte ich dann leise, bestimmt würde ich ihm nicht verbieten, sein Kind zu sehen, jetzt wo er davon wusste.
Dass er damit meine ganze Weltanschauung auf den Kopf stellte, ließ mich leise brummeln, zumal ich nicht wusste, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Das war schon nach dieser blöden Party schwer gewesen, aber jetzt?
Und vorallem..mein lieber, großer Bruder wusste ja auch noch nicht, dass Van der Vater war...und wo letzterer das nun wusste, würde es schwer werden, ihm das zu verheimlichen.
Das konnte ja noch was werden.

Ihr schien die Tatsache, dass Lissa es wusste ganz und gar nicht zu gefallen. Verständlich. "Vielleicht solltest du wissen, dass ich es ihr gesagt habe, weil ich finde, sie hat ein Recht es zu wissen. Auch wenn es vor ihr passiert ist, es wird sich ja auch auf unsere Zukunft auswirken. Außerdem brauchte auch ich jemandem um damit klarzukommen." erklärte ich und hoffte es so verständlicher zu machen warum ich Lissa davon erzählt hatte.
Dann dachte sie eine Weile nach, die mir wie eine Ewigkeit vorkam. Warum musste sie denn erst darüber nachdenken? Spielte sie vielleicht doch mit dem Gedanken mir das Kind vorzuenthalten?
Es fühlte sich an als ob 10 Tonnen Last von mir abfielen als sie dann diese leisen Worte sagte. "Danke." Ich atmete einmal tief durch. Damit war der unangenehme Teil für mich so gut wie erledigt und ich war froh, dass sich alles so unkompliziert gewesen war.
Aber es plagte mich noch eine Frage auch wenn ich sicher war, dass ich sie mir auch gut selbst beantworten konnte. Trotzdem stellte ich sie. "Weiß Muriel davon?"

"Klar hat sie ein Recht darauf, das zu wissen", gab ich zurück, "ich bin nur...ich weiß nicht. Ich hab nur das Gefühl, dass es plötzlich jeder weiß. Wenn das an meiner Schule rauskommt, dann bin ich unten durch...bei allen."
Ich ließ mir ein Glas Wasser ein und leerte es in einem Zug. Es überraschte mich zwar ein wenig, dass Sana und sogar Van zu mir hielten- die ich beide noch gar nicht solange kannte- während ich mir gut vorstellen konnte, dass alle anderen Freunde mich sofort fallen lassen würden.
Was mich erneut fast zu Tränen trieb, die ich aber noch unterdrücken konnte.
Und ich wusste, dass diese Frage auch noch kommen würde.
"Jein", meinte ich zögerlich, "er weiß, dass ich...er weiß, dass da etwas ist, aber nicht, dass du damit zu tun hast. Und ich will nicht wissen, was er macht, wenn er es herausfindet."
Das wollte ich wirklich nicht. Muri konnte gut aus der Haut fahren.
"Vielleicht sollte ich mit ihm sprechen...wenn du nicht mehr da bist. Mir wird er weniger an die Gurgel springen als dir."

Stimmt ja, Domi ging ja noch zur Schule. Mal wieder hatte ich sie älter gemacht als sie eigentlich war. Da meine Schulzeit schon so weit zurück lag konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen zur Schule zu gehen. Egal ob es um mich selbst oder meine Freunde ging. Wahrscheinlich war Muriel daran Schuld. Er ging ja auch noch zur Schule. Eigentlich...
Domis nächste Aussage zeigte mir wieder wie jung sie eigentlich war. Oder aber es lag nicht an ihrerm Alter sondern sie wollte es einfach nicht ausprechen, hatte es vielleicht immernoch nicht wirklich realisiert. Ich blickte an ihr herunter. Es musste schwer sein für sie. Das erste Mal Sex und schon schwanger. Wie in einer dieser Reality-Shows. Nur, dass das hier Wirklichkeit war und ich hatte auch noch einen großen Teil der Schuld.
"Das ist wohl besser." bestätigte ich. Ich wusste wie Muriel sein konnte wenn ihn etwas aufregte und das war sicher etwas, dass ihn tierisch aufregte. Dann wollte ich ungern in seiner Gegenwart sein wenn er es erfuhr. Besser war es wohl wirklich wenn er sich erstmal etwas abregen konnte und ich dann mit ihm sprach. Denn das musste ich irgendwann tun. Ob ich wollte oder nicht.
"Und... wie geht es dir dabei?" fragte ich vorsichtig nach, da ich mir nicht sicher war ob sie gerade mit mir darüber reden wollte.

Dass Van mir keine Antwort gab, ließ mir die Zeit, in Gedanken zu versinken.
Ich war sauer auf mich selbst, dass ich diesen Fehler gemacht hatte.
Irgendwie verstand ich sogar meine Mutter, dass sie mich zuhause festgehalten hatte. Sie musste vorausgesehen haben, dass ich bei der ersten Möglichkeit großen Mist baute.
Ach, verdammt nochmal.
Zum Glück riss Van mich aus den Gedanken und ich nickte.
"Ich glaube, ich mache das dann, wenn er und Sana wiederkommen. Dann habe ich es hinter mir", murmelte ich und ja- mir behagte der Gedanke eigentlich nicht, vorallem weil wir uns gerade wieder so nahe standen, nachdem wir uns vier Jahre nicht gesehen hatten.
Irgendwie hatte ich Angst, dass dieses Gespräch alles zunichte machen könnte.
Vans Frage brachte mich zum Nachdenken: "Ich weiß nicht. Die meiste Zeit versuche ich nicht dran zu denken, sonst kriege ich nur Panik. Und...ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll...ich bin ja selbst noch fast ein Kind.."

Wahrscheinlich war es gut wenn sie es so früh wie möglich erledigte, trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl dabei. Aber das würde auch mit der Zeit nicht besser werden, das wusste ich und vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, milderte es seine Reaktion wenn Domi es ihm früher sagte denn irgendwann würde er es ja sowieso herausfinden.
"Und stell mich ruhig als den Bösen hin. Ich hab schon so einige Male als sein Sündenbock herhalten müssen." meinte ich und musste leicht grinsen.
Bei ihrer Erklärung nickte ich. Ich war zwar nicht in der gleichen Situation wie sie, konnte mir aber trotzdem denken wie schwer es für sie sein musste. Vor allem nachdem ihre Mutter sie rausgeworfen hatte und sie jetzt noch nichtmal ein richtiges zuhause hatte.
"Wir haben echt Mist gebaut was?" fragte ich und lächelte schief. Ich nahm noch einen großen Zug des Kaffees. Würde ich nochmal in der Zeit zurückreisen können würde ich mir wohl gehörig in den Hintern treten. Oder mir einfach ein Kondom in die Hand drücken...

Mit skeptischem Blick sah ich zu Van: "Als Bösen? Ehm...nein. Zum einen würde das klingen, als hättest du mich dazu gezwungen, was gar nicht stimmt. Und zum anderen gehören dazu zwei."
So unreif ich sein mochte, soviel Verantwortung trug ich auch noch.
Wer gedankenlos handelte, musste auch die Konsequenzen davon tragen.
Auch wenn sie manchmal schwer waren...irgendwie konnte ich nicht anders, als immer noch zu denken, dass nichts ohne Grund passierte.
Seine rhetorische Frage, ließ mich seufzen, doch schließlich musste ich ein wenig schmunzeln.
"Ja...", stimmte ich ihm zu und schließlich setzte ich mich an den Tisch.
Riesenmist sogar.
Einen Moment lang starrte ich schweigend auf die Tischplatte und grübelte vor mich hin.
"Wenn Lissa das weiß und dir nicht den Kopf abgerissen hat, muss sie ziemlich tolerant sein", stellte ich schließlich fest. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass sie ziemlich ruhig war, aber die Tragweite dieser Sache war ja doch ziemlich heftig.

"Okay vielleicht hast du Recht..." gab ich zu. Ich hatte keine Lust dazu von Muriel als Vergewaltiger abgestempfelt zu werden, der noch dazu seine Schwester gezwungen hatte mit ihm zu schlafen. Nein, da konnte ich mir deutlich angenehmeres vorstellen.
"Naja ich habe ja eigentlich nichts falsch ge..." Ich stoppte mich selbst. "Okay ich habe was falsch gemacht aber das hat ja eigentlich nichts mit ihr zu tun. Ich hab sie ja nicht betrogen oder so. Sie hätte mir vielleicht nur den Kopf abreißen sollen, weil der ja anscheinend zu nchts zu gebrauchen ist. Zumindest wenn ich betrunken bin." Ich zuckte mit den Schultern. "Aber vielleicht haben wir ja Glück und Muriel ist auch so tolerant." grinste ich. Ich wusste, dass es nicht so sein würde. Muriel würde entweder vollkommen ausrasten oder sich völlig geschockt in eine Ecke verkriechen und so schnell nicht mehr rauskommen. Und um ehrlich zu sein, ich wusste nicht was mir lieber war...

"Ich hab ziemlich sicher recht...wenn Muri sauer ist, neigt er dazu, das Schlimmste in einer Aussage zu sehen", entgegnete ich leise seufzend und gerade in so einem Zusammenhang könnte das verdammt schlecht ausgehen.
Selbst wenn Muri eigentlich wusste, dass Van so nicht war, wenn er rot sah...wusste niemand, was er tun würde.
Ich hörte Van's Worten zu und nickte bestätigend.
Es hatte ja wirklich nichts mit Lissa zu tun und es war passiert, bevor wir sie überhaupt kannten.
Trotzdem war es sicher auch für sie nicht ganz einfach.
Wir konnten nur abwarten, wie es sich weiter entwickeln würde. Egal, wieviel oder wenig Einfluss wir darauf hatten.
"Dazu muss ich sagen, ist mein Kopf auch nicht mehr zu gebrauchen", warf icih noch ein, als er erklärte, warum man ihm den Kopf abreißen sollte.
Seine Hoffnung, Muri würde auch so tolerant sein, ließ mich lachen: "Hm...ich glaube, vorher fliegen dir kleine Engel aus dem Hintern. Aber wer weiß, vielleicht werden wir ja überrascht?"

Bei Domis Kommentar musste ich lachen. "Ja, wer weiß vielleicht ist er auch hellauf begeistert, dass sein heißgeliebtes Engelchen mit seinem besten Freund ein Kind kriegt." Auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich war, fand ich die Vorstellung irgendwie amüsant. "Aber wir machen uns wahrscheinlich beide viel zu viele Gedanken." meinte ich entschieden. Das war doch immer so. Man malte sich die schlimmsten Horrorszenarien aus und dann wurde es meistens halb so schlimm.
Fast schon aus Gewohnheit wollte ich fragen ob es sie störte wenn ich rauchte aber schnell verwarf ich den Gedanken wieder. Domi war schwanger. Da musste ich wohl auch in Zukunft darauf achten nicht in ihrer Nähe zu rauchen.
"Und hattest du heute doch noch irgendwas bestimmtes mit Nathan vor?" Gerade schien er ja ziemlich ruhig zu sein. Aber das lag wohl an seiner Lieblingssendung denn sonst wirkte er nicht wie der ruhige Typ sondern eher wie jemand, der immer Action brauchte.

Ich hob skeptisch die Augenbraue bei Van's Worten: "Heißgeliebtes Engelchen? Ich glaube, du übertreibst da ein bisschen. Natürlich wird er nicht begeistert sein, aber..naja, es ist ja nichts, was ich rückgängig machen lässt. Also wird er damit wohl oder übel leben müssen.."
Naja und irgendwie...immer noch besser Van, als irgendein dahergelaufener Drogenjunkie. So sah ich das zumindest, ich hätte es weitaus schlimmer treffen können.
"Ja, du hast wohl recht, das machen wir wohl. Und heute Abend werde ich ja wissen, was er wirklich darüber denkt..", nuschelte ich leise, aber so wirklich motiviert war ich eben immer noch nicht.
Vielleicht hätte ich es gleich sagen sollen...
"Eh...eigentlich nichts bestimmtes...er spielt nur gern Schule...ununterbrochen", grinste ich ein wenig, "du solltest mal sehen, wie er sich freut, wenn er seinen Namen richtig hinbekommt. Das ist schon irgendwie süß. Aber es nervt, immer das selbe zu sagen...naja. Wir wollten später vielleicht raus in den Garten und einen Schneemann bauen, machst du mit?"

Domi hatte Recht. Muriel würde wohl irgedwie damit leben müssen. ob er wollte oder nicht. Und ich konnte mir kaum vorstellen, dass Muriel eiwg auf uns sauer sein würde. Das heilt er doch gar nicht aus. Irgendwie gab mir das ein besseres Gefühl, wenn auch noch kein Gutes.
Trotzdem war ich froh als wir das Thema wechselten.
"Das tut irgendwie jedes Kind gerne." stellte ich fest. "Bis sie dann wirklich in die Schule gehen. Dann stellen sie fest wie langweilig es da doch eigentlich ist. Zumindest war das bei mir so." Ich zuckte mit den Schultern. Ich war nach meiner ersten Schulwoche regelrecht enttäuscht gewesen und das hatte sich dann wohl über meine ganze Schullaufbahn gezogen. Gut, dass ich mich irgendwann einfach zusammengerissen und reingehauen hatte sonst würde ich jetzt nicht auf die Uni gehen dürfen.
Bei ihrer Frage, nickte ich. "Ich bin zwar etwas aus der Übung aber klar warum nicht?" Ich hatte wirklich Ewigkeiten keinen Schneemann mehr gebaut. Oder einen Schneeengel gemacht, oder eine Schneeballschlacht... Sofort kamen Kindheitserinnerungen hoch, die mich lächeln ließen. "Ich habe den Schnee immer geliebt."

"Da hast du allerdings recht", stimmte ich ihm grinsend zu, "aber ich denke, das hat auch viel mit dem...ähm..."
Ich verstummte und fing an zu grübeln, was ich eigentlich sagen wollte.
"Mit dem Stolz zu tun. Sie wollen halt zeigen, was sie schon können", fuhr ich schließlich schief grinsend fort.
"Mh..ihr Jungs findet ja Schule sowieso immer langweilig", gab ich kopfschüttelnd zurück, denn ich ging gern zur Schule. Vorallem, seit ich nicht mehr aufs Internat ging und mittlerweile konnte ich auch relativ gut mit den Jungs aus meiner Klasse reden. Noch ein Grund, warum ich eigentlich nicht wollte, dass jemand etwas von dem Baby erfuhr.
Als er zustimmte, mitzumachen, grinste ich erfreut.
"Juhu~ Das wird sicher lustig", gab ich begeistert zurück und sprang schon fast auf.
"Ja, ich mag den Schnee auch sehr gerne. Er ist so schön weiß und die Schneeflocken sehen so hübsch aus", meinte ich dann grinsend zu ihm.

Wie Domi so redete musste ich sie mir unweigerlich als Erzieherin vorstellen. "Sag mal... Hast du schonmal daran gedacht später irgendwas mit Kindern zu machen?" fragte ich. Ich konnte mir Domi gut in einem solchen Beruf vorstellen auch wenn es sicher noch eine Weile dauern würde bis sie sich ernsthaft darüber Gedanken machen musste denn ich schätze Domi als jemanden ein, der die Chance Abi zu machen nicht verstreichen ließ.
Als Domi so begeistert auf meine Zustimmung reagierte musste ich grinsen und sah kurz zu dem Zimmer hinüber indem Nate eben verschwunden war. "Wie lange dauert denn seine Sendung noch?" fragte ich und merkte, dass ich auch riesige Lust hatte mich in den Schnee zu werfen und einfach mal wieder Kind sein zu dürfen.
"Hoffentlich erfrier ich gleich nicht..." Ich warf einen Blick auf meine bedürftige Jacke. Andererseits hatte mir Kälte noch nie viel ausgemacht.

Ich trank einen Schluck Wasser und sah schließlich etwas überrascht zu Van.
"Eh? Nein...ich glaube auch nicht, dass das etwas für mich wäre", meinte ich leicht abwehrend und schüttelte den Kopf.
Das konnte ich mir irgendwie wirklich nicht vorstellen.
Als er in Richtung Wohnzimmer sah, folgte ich seinem Blick und sah danach auf die Uhr, um seine Frage beantworten zu können.
"Zehn Minuten noch. Vielleicht sollte ich schon mal anfangen, seine Wintersachen zu suchen", meinte ich nachdenklich.
Einen Moment lang musterte ich Van nach seiner Aussage, dann hatte ich schon eine Lösung dafür parat.
"Muri hat eine seiner Jacken hier gelassen...ich bin sicher, er hat nichts dagegen, wenn du sie ausleihst."

Verwundert sah ich sie an als sie meinte der Beruf wäre nichts für sie. Dann hatte ich mich wohl geirrt. Aber ich konnte sie auch irgendwie verstehen. Nur, weil ich mich für Musik interessierte wollte ich noch lange kein rockstar werden. Aber eigentlich war es mit der Kunst bei mir doch genauso gewesen... Als Kind hatte ich mich für Kunst interessiert, hatte angefangen zu zeichnen und jetzt studierte ich Kunst. Naja ich war ja auch nicht der Normalfall. Im Normalfall guckte man wahrscheinlich auch nach dem Geld was man später verdiente. Ich wusste jetzt noch nichtmal was für einen Beruf ich nach meinem Studium ergreifen würde.
Ich nickte auf Domis Vorschlag hin. Es war sicher nicht nur für mich besser sondern auch für den kleinen Nathan, der sich vielleicht ein Beispiel an mir nehmen würde und nachher noch im T-shirt in den Schnee laufen würde.
Ich trank den letzten Schluck meines Kaffees und stand auf.
"Na dann wollen wir mal." Ich lächelte und wartete da ich weder wusste wo Nathans Zimmer war, noch wo Muriel seine Jacke gelassen hatte.